Der Ort, das Kammland und seine Impressionen...

von Otto Eduard Schmidt "Kursächsische Streifzüge, Bd. 5 - Aus dem Erzgebirge"

"...hier oben empfängt uns eine andere, eigenartige Welt. Zu beiden Seiten der Straße, weithin verstreut über eine unabsehbare Wiesenfläche, liegen mehrere Hunderte niedrige, weiße Häuschen mit tief herabgezogenen dunkelgrauen Schindeldächern, jedes mit einem Wiesenstück umgeben. Niedrige Steinrücken und große Steinhalden, die sich durch das ganze Gelände ziehen, trennen die Häuschen voneinander, schmale Wiesenpfade verbinden sie.

Der Bergwind, der hier oben fast stets zu spüren ist, schaukelt ein paar dürftige Blumen vor dem Fenster des Hauses, das Stirn und Schläfe mit hölzernen Schindeln gegen den Wintersturm gepanzert hat, noch stärker schaukelt der Wind die Blumen der umgebenden Wiese, die weiße Magarete, die blaue Glocke, das flockige Wollgras und die orangefarbene Arnika.

Ruht blauer Himmel und warmer Sonnenschein über dem endlosen Grün, aus dem hie und da ein dunkles Moorauge aufblitzt, so ist´s ein unvergleichlicher Genuß, über den blumendurchwirkten Teppich zu schreiten. Aber ich bin hier auch schon mitten im Sommer von einem undurchdringlichen Nebel überfallen wurden, der jede Umsicht hemmt, und von beizendem Sturm durchgeschüttelt und von endlosen Regenschauern durchnäßt worden. Dann ist es, als ob statt der Gewölk- und Nebelfetzen graue Hexen zwischen den zerzausten Bäumen hingen und mit erbarmungsloser Peitsche auf den armen Wanderer losschlügen. Dann hat diese Hochfläche etwas unendlich Schwermütiges, das im Menschen eine unbestimmte, unendliche Sehnsucht erweckt.

Die Straße führt an der gedrungenen, ernst stimmenden Zinnwalder protestantischen Kirche vorüber an das eigenartige Waldmoordorf Georgenfeld. Es zieht sich in doppelter Häuserreihe aufwärts bis nahe an den Felskegel des Lugsteins und bis an den Saum des Kiefernweichents, eines mit Knieholz durchsetzten Hochmoors, das seine Wasser durch den Seegrund nach Böhmen hinuntersendet.

Auf dieser Hochfläche erreicht im Winter die Herrlichkeit ihren Höhepunkt und beruht seine herbe Schönheit..."

 

So beschrieb der Erzgebirgskenner Otto Eduard Schmidt vor rund 90 Jahren unseren "Ziewald". Seitdem hat sich vieles verändert, auch die ehedem großen Bergbauhalden bestimmen längst nicht mehr das Bild des Ortes.

Die Silhouette des Dorfes prägen aber immer noch stolz seine zwei Kirchen, die Exulantenkirche und die katholische Pfarrkirche über der Grenz´, ferner noch der Lugsteinhof von Georgenfeld herunter. Die Fernverkehrsstraße ist umgelegt und zum Teil unter die Erde verlegt wurden und die Grenzabfertigung ist mit dem Beitritt der Tschechei zum Schengener Abkommen vollkommen weggefallen. Ruhe ist wieder eingekehrt, in der Gemeinde Zinnwald, die immer noch einen sächsischen und einen böhmischen Teil hat - aber im Ganzen mitten in Europa liegt.

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