Chronik der Berggemeinden Vorderzinnwald, Böhmisch-Zinnwald, Sächsisch-Zinnwald und Georgenfeld

Historischer HolzschnittDer Name Zinnwald taucht erstmals urkundlich bei der Versetzung des Zinnwalder Priesters nach Bernau im Kreis Komotau auf. Dies war am 22.November 1378 und lässt schlußfolgern, dass Zinnwald folglich schon bestehen musste und älter als datierte Urkunde ist. Aus einem von 1305 stammenden Schriftstück der Bergstadt Graupen, ist zu erfahren, dass der Zisterzienserorden in Teplitz, den ´Zinnberg´ schon im Jahre 1297 von Böhmenkönig Wenzel II. geschenkt bekam. Und nach Bekundung eines Heimatforschers aus Sachsen soll Zinnwald schon 1134 in der Chronik der Markgrafenschaft Meißen als ansehnlicher Bergflecken mit Bäcker, Fleischer und Schmied vermerkt sein.

Lassen wir das Jahr 1378 als Beginn des Bestehens stehen, zumal um diese Jahre die ersten Zinnschürfungen um Zinnwald nachgewiesen sind...Die Besiedlung von Zinnwald, laut Graupener Chronik der rauheste und unzugänglichste Ort des Gebirges, erfolgte aus der Ausweitung des Graupener Bergbaues auf den Erzgebirgskamm, über Vorderzinnwald und später Hinterzinnwald, denn 1466 verzichten die Graupener Bürger Hans Taub und Frau Zechel auf alle Bergbaurechte in Zinnwald. Am 4.August 1489 wird Zinnwald mit Neugeising aus der Kirchengemeinde Lauenstein ausgepfarrt und der Pfarrei Geising zugeschlagen. Am 30. Juni 1520 bestätigt Rudolf von Bünau der Bergstadt Geising Privilegien in Zinnwald. 1526 wählen die böhmischen Stände Ferdinand I. zum König und dieser vereint die Länder der Wenzelskrone Böhmen, Mähren und Schlesien unter dem Doppeladler Österreich - Ungarns. 1537 wird zwischen dem Königreich Böhmen/Kaiserreich Österreich - Ungarn und dem Herzogtum Sachsen ein verbindlicher Grenzverlauf festgelegt und diese Grenze zerreisst den bis dahin einheitlichen Zinnwald in ein Böhmisch-Zinnwald und ein Bünauisch-Zinnwald (Sächsisch-Zinnwald), wobei die Grenze mitten durch den Ort verläuft. Diese Grenze bleibt bis 1918 die Grenze zwischen Deutschland bzw. dem Deutschen Reich und der Donaumonarchie Österreich - Ungarn.

Am 22. Jänner 1637 ergeht der Befehl übers Erzgebirge, die Pässe neuerlich zu verhauen, 1639 dann ziehen die Schweden plündernd, raubend und mordschatzend über den Erzgebirgskamm. Der Krieg schwelt bis noch bis 1648 über den böhmischen Ländern und besonders über dem Erzgebirge und auch Zinnwald. Da auch Zinnwald durch die Lutherische Reformation aus dem Jahre 1517 nicht verschont blieb und sich mehrheitlich protestantisch bekannte, aber Österreich - Ungarn die Rekatholisierung verschärft vorrantrieb, zeichnen sich schwere Schicksalsjahre für die Protestanten ab. 1671 verlassen die ersten protestantischen Böhmisch-Zinnwalder das Land und gründen dicht an der Grenze in Sachsen den Bergflecken (Alt)Georgenfeld. Aber das Luthertum blieb noch bestehen.

1700 ergehen an die Bevölkerung ernste Drohungen, "die Reformation, dass sie wieder katholisch werden wollen, anzudeuten...", 1728 verlassen die letzten 800 protestantischen Bergbaufamilien den Böhmischen Zinnwald und gründen neben Georgenfeld die Exulantensiedlung Neu-Georgenfeld und weiter östlich an der Grenze gegenüber Böhmisch-Müglitz die Ansiedlung Gottgetreu. 1732 wird die in 3 Jahren erbaute katholische Pfarrkirche Maria Himmelfahrt in Zinnwald eingeweiht. 1756 beginnt der von Preussen verschuldete Siebenjährige Krieg, das Erzgebirge und Zinnwald haben erneut unter den Kriegswirren zu leiden. Vom 10.Juni bis zum 20.Juli 1766 bereist der österreichische ´Volks´ Kaiser Josef II. zum ersten Mal das Erzgebirge, er wird bald wiederkehren. Die Hungerjahre 1771/72 lassen in den ohnehin schon ärmlichen Gebirgsdörfern die Menschen und vor allem die Kinder verhungern, Wanderbettler streifen durch die Lande, überall Elend und unermessliche Not. Der Kaiser selbst lässt Getreide aus Ungarn in den Städten Böhmens billig verkaufen und am 23. September 1779 kommt Kaiser Josef II. zum zwoten Male auf den Erzgebirgskamm und nach Zinnwald, im Stillen Gutes in den armseligen Häuslerstuben der Bergleute zu tun und um seine Grenze nach Sachsen kennenzulernen. Er reist dann weiter über Neustadt und Niklasberg, seine Volksnähe (Bauerngesetze, Toleranzgesetze, Förderung von Bildung und Volksgesundheit) haben ihm die Bewohner Böhmens in vielen Denkmälern gedankt.

Ab 1796 setzt Napoleon Bonaparte Europa in Flammen, sein Ultimatum an den Deutschen Kaiser bedeutet das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. 1809 erreichen die Kriegswirren auch Zinnwald, preussische und österreichische Truppen machen Quartier in Zinnwald. 1813 ist ein bedeutendes Jahr in der Geschichte unserer Heimat, es beginnen die deutschen Befreiungskriege gegen Napoleon´s Schreckensherrschaft und im Juli besucht Johann Wolfgang v. Goethe Zinnwald, er übernachtet im Sächsischen Reiter und betreibt inmitten der Kriegsgeschehnisse seine bergbaulichen Studien. 28. August, die Bewohner flüchten sich über Wochen hinweg in den Wald und Napoleon weilt in Peterswalde/Erzgebirge, einem nicht weit entfernten Nachbardorf Zinnwalds. Am 29. und 30.August werden Napoleons Schergen unter seinem General Vandamme in der Schlacht von Nollendorf, ca. 20 km östlich Zinnwalds, durch die österreichischen, russischen und preussischen Truppen verheerend geschlagen. Diese Schlacht leitet bedeutendst das Ende Napoleons in der Völkerschlacht zu Leipzig im Oktober ein. Viele Denkmäler und Flurnamen in unserer Heimat erinnern an dieses geschichtliche Ereignis...

1814 bis 1816 herrscht die zweite große Hungersnot im Erzgebirge, da die Felder infolge des Krieges nicht mehr abgeerntet werden konnten, es herrscht große Not in Zinnwald. Auch in den Folgejahren kommt es immer wieder zu Mißernten, weil die Sommer sehr naß und kühl sind. 1843 wird Zinnwald von einem verheerenden Hagelunwetter heimgesucht. Um diese Jahre wird in Zinnwald die Bast- und Strohflechterei neben dem Bergbau zum wichtigsten Erwerbszweig der Zinnwalder. 1866 entlädt sich die Rivalität zwischen Preussen und Österreich erneut im Deutschen Preussisch Österreichischen Krieg und preussische Truppen ziehen wieder über den Zinnwalder Pass in Richtung Teplitz. Am 19.Mai 1868 reisen der Preussische König Wilhelm I. und seine Gemahlin (beide sind begeisterte Liebhaber des Erzgebirges), über Zinnwald zur Kur nach Teplitz. Der Prager Fenstersturz dürfte als Vorbild zum ´Zinnwalder Fenstersturz´gerreicht haben, 1903 wird die Evangelische Synode im Gasthaus Biliner Bierhalle durch Zinnwalder Katholische und den Pfarrer mehr oder weniger rabiat aufgelöst. Von November desselbigen Jahres bis Fasching 1904! lag dichter Nebel über Zinnwald,welcher enormen Anraum-/Rauhfrostschaden in den Waldbeständen hinterlässt. Im darauffolgenden Winter vernichtet im Dezember ein Orkan fast die Hälfte des gräflichen Waldes und richtet große Schäden an den Kammhäusern Zinnwalds an.

Um die Jahrhundertwende erlebt der Fremdenverkehr im Erzgebirge einen großen Aufschwung, in Zinnwald werden die Schaffung von Jungviehweiden, die Errichtung eines Telegraphen- und Telefonamtes, die Verlegung der Industrie in das Gebirge, ein Eisenbahnanschluß gefordert, nur mit einer besseren Infrastruktur kann in Zinnwald Sommerfrische und Wintersport aufblühen. 1914 erfolgt nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Gemahlin die Mobilmachung, Österreich hat Serbien den Krieg erklärt, der erste Weltkrieg fordert auch von Zinnwald seine Opfer. 1916 wird Hinterzinnwald an das Stromnetz angeschlossen und eine Lichtgenossenschaft gegründet. Vorderzinnwald erhält bis zum Ende des zweiten Weltkrieges kein Licht. Wann Sächsisch-Zinnwald und Georgenfeld an den Strom ging, ist leider nicht zu erfahren.

28.10.1918. Proklamation des tschecho-slowakischen Nationalstaates nach dem Zerfall Österreich - Ungarns und der Abdankung des Kaisers, die sudetendeutschen Gebiete werden von den Tschechen militärisch besetzt, es kommt zu blutigen und tödlichen Auseinandersetzungen in ganz Deutschböhmen. Am 4.3.1919 werden 54 unbewaffnete Deutschböhmen während friedlicher Demonstrationen in Böhmen für das deutsche Selbstbestimmungsrecht von tschechischem Militär erschossen, 100 verletzt. Im darauffolgenden Jahr werden die Kaiser Joseph Denkmäler im ganzen Land von Tschechen gestürzt und zerstört, 1922 wird eine tschechoslowakische Verfassung ohne Beteiligung der Minderheiten beschlossen und die selbsternannte Regierung beschliesst ein Sprachengesetz, wonach alle Beamten die tschechische Sprache beherrschen müssen. Infolgedessen werden die staatlichen Arbeitsplätze bei Post, Zoll und Finanzwache in Zinnwald im Dezember 1918 wie andernorts mit tschechischen Beamten besetzt und unterwandert. Die deutschen Schulen werden aufgelöst, tschechische Schulen eingerrichtet, oft für nur wenige tschechische Kinder. Man schafft künstliche tschechische Minderheiten im deutschen Gebiet, um das Vorhandensein geschlossener deutscher Sprachgebiete zu leugnen und lügt die Zahl der Deutschböhmen bei den Siegermächten von 3 Millionen Deutschen auf eine Million herunter. Die Volkszählung 1921 in Zinnwald ergab in Hinterzinnwald 1.220 Deutsche, 10 Tschechen und für Vorderzinnwald 248 Deutsche und 1 Tscheche.

Im Juli 1927 sintflutartige Niederschläge in Zinnwald, diese lösen eine verheerende Hochwasserkatastrophe im sächsischen Müglitztal aus. Ebenfalls in diesem Jahr wird die Autobuslinie Dresden - Zinnwald eröffnet. 1928 erlebt Zinnwald im Dezember einen starken Kälteeinbruch von über minus 33 Grad und rückblickend sei erwähnt, dass in Zinnwald am 21.Juni 1921 ein Schneesturm über dem Kamm wütete. 1929 beginnt die Weltwirtschaftskrise und bringt in den industrialisierten Sudetengebieten, aber auch in Sachsen große Arbeitslosigkeit und vor allem in die Gebirgsdörfer, welche ohnehin nur von der kärglichen Landwirtschaft und dem Bergbau leben, wieder Not und Entbehrung. Am 20. Mai 1938 erfolgt die Teilmobilmachung der CSR, viele Bewohner von Böhmisch-Zinnwald, insbesondere Frauen und Kinder, flüchten nach Sächsisch-Zinnwald und Georgenfeld, die Männer entzogen sich so der drohenden Einberufung zum Militärdienst für die CSR. Am 10.Oktober ziehen in Zinnwald die tschechischen Behörden und Grenzkommandos unter dem Druck des Münchner Abkommens, welches Großbritannien, Frankreich, Italien und das Deutsche Reich unterzeichneten, ab und die Wehrmacht marschiert im Grenzgebiet ein. Am 9.Jänner 1939 gehen die ersten Zinnwalder als Freiwillige und Dienstverpflichtete zur deutschen Wehrmacht. Der zurückgetretene tschechische Präsident Benes wirbt unterdessen im Exil in London für seine Idee eines ´Transfers´ aller Deutschen aus der CSR.

Historischer HolzschnittAm 1. September 1939 bricht der Zweite Weltkrieg aus und noch im September beklagt Zinnwald seinen ersten Gefallenen. welchem noch zu viele folgen werden. Benes erreichtet dagegen 1942 die Zustimmung Londons zu seinem von nationalistischem Hass geleiteten ´Transfer´plan. Am 8.Mai 1945 kapituliert die Deutsche Wehrmacht und die Russen marschieren in Zinnwald ein, bleibt aber im Gegensatz zu Altenberg von Luftangriffen verschont. Blutiger Terror gegen alles Deutsche setzt ein, die Austreibung nimmt unmenschlichste Züge an. Allein in Aussig a.d. Elbe, nicht weit von Zinnwald, werden in viereinhalb Stunden 2000 Männer, Frauen und Kinder durch den tschechischen Mob grausamst ermordet. Im gesamten Sudetengebiet und in Böhm.-Zinnwald werden die Häuser, der Boden und sämtlicher Besitz enteignet, die Eigentümer müssen bis zu ihrer Vertreibung Miete für ihre eigenen Häuser an den tschechischen Staat zahlen. Die Menschen werden zu Fuß von Teplitz kommend ´heim ins Reich´getrieben, der wiedergekehrte Benes triumphiert "...das, was wir schon 1918 vorhatten, wird heute durchgeführt.", die Menschen haben also nicht für Hitler und für die auch von Deutschen verübten Verbrechen im Krieg zu büßen, sondern für den unstillbaren Hass eines einzelnen Mannes. Am 6. Feber 1946 erfolgt der erste Bahntransport von Zinnwaldern in Viehwaggons nach Deutschland und am 29. Oktober der letzte. Die noch aus beruflichen Gründen zurückgebliebenen Zinnwalder entziehen sich 1948 einer Verschleppung nach Innerböhmen gar in eines der berüchtigten Konzentrationslager oder in den tödlichen Uranbergbau durch Flucht nach Sachsen. Viele der damaligen Vertriebenen leben heute in Bayern, das bayrische Land übernahm die Obhut über alle Sudetendeutschen und erklärte sie nach dem Krieg zum vierten Stamm Bayerns.

Nachkriegszeit. Schwer gestaltete sich für die tschechische Seite mit dem Ende der Vertreibungen das Besiedeln des kargen und rauhen Erzgebirgskammes mit tschechischen Bauern. So verschwanden in der Nachkriegszeit hunderte deutsche Dörfer und Städte in Böhmen vom Erdboden, nicht nur im Erzgebirge: in unserer engeren Heimat waren das Fleyh, Grünwald, Motzdorf, Gebirgs-Ullersdorf, Kalkofen, Böhmisch-Müglitz, Ebersdorf, der Siebengiebel und auch Vorderzinnwald. Das Gebirgskammdorf wurde samt seiner Wallfahrtskapelle und seinen 54 Häusern geschleift, eingeebnet und ausgelöscht in seiner fast 600-jährigen Geschichte. Andere Orte wie Voitsdorf wurden dem Verfall preisgegeben und sind heute kaum mehr bewohnbar. In Hinter- also Böhmisch Zinnwald selbst sind heute von einst einst 280 Häusern der einst 1500 Einwohner noch ganze 80-90 mit ca. 60 Personen vorhanden und bewohnbar. Der Bergbau wurde wie auch in Sächsisch Zinnwald aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. Die tschechische Republik, scheint damals statt der Vertreibung ihrer Minderheiten das größere Übel gewählt zu haben, das kommunistische Regime samt seiner Mißwirtschaft und was diese hinterließ...

1949 wird Georgenfeld und Zinnwald eingemeindet und führt seitdem den Namen Zinnwald-Georgenfeld. Böhmisch-Zinnwald, welches durch Dekret von 1918 den tschechischen Namen Cinvald führen musste, wird in Cinovec (Zinnberg) umbenannt und verliert damit seine Identität ´Zinnwald´ als einstiger Ort von Weltruf. Heuer ist Böhmisch-Zinnwald zu Eichwald/Dubi eingemeindet und ein Torso einstiger Größe und kommunaler Regsamkeit. Mit dem Umsturz 1989 werden Stimmen zu Gemeindegebietsreformen laut, Zinnwald-Georgenfeld wird 1994 Ortsteil der Bergstadt Altenberg, nicht ausschließlich amtlich, sondern auch postialisch nur noch Altenberg.

2000 Zinnwald gibt seinen historischen Ruf als Grenzpassierung in der Geschichte seit 1537 an den neuerbauten Grenzhof Altenberg ab. Es ist Ruhe eingekehrt in den durch den LKW- und Reiseverkehr in den letzten Jahren unerträglich frequentierten Ort. Die Fernverkehrsstraße ist heuer umgelegt und zum Teil unter die Erde verlegt wurden und die Grenzabfertigung nun vor den Ort nach Altenberg, sodass der Transitverkehr für die Gäste von Zinnwald-Georgenfeld selbst keine Rolle mehr spielen wird.

Grenzöffnung am 21.12.200721.12.2007 Mit dem Beitritt der tschechischen Republik zum Schengener Abkommen fallen die Schlagbäume auch in Zinnwald. Nach 52 Jahren sind die sächsischen und böhmischen Teile Zinnwalds wieder ohne jegliche Grenzkontrolle erreichbar. Gleichzeitig wurde die ehemalige historische Straße wieder für den Kraftfahrzeugverkehr freigegeben.

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